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Genehmigung der Einwilligung in geschlechtsangleichende Operation eines Kindes

- Entscheidungen Leitsätze

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss v. 4.2.2025 – 4 UF 164/24

  1. Fehlt bei einem Antrag auf Genehmigung eines operativen Eingriffs bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung die befürwortende Stellungnahme einer interdisziplinären Kommission, so ist die Prüfung der Kindeswohldienlichkeit nach § 1631e III S. 2 BGB aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung vorzunehmen.
  2. In diese sind insbesondere einzubeziehen die Auswirkungen des geplanten Eingriffs, die Frage des Vorhandenseins möglicher alternativer Eingriffe und Behandlungen, die Reichweite der Veränderungen am Körper des Kindes, die Frage der künftigen Reversibilität sowie die Erforderlichkeit einer dauerhaften Nachbehandlung.
  3. Die Genehmigung kann zu erteilen sein, wenn es um eine konkrete Funktionsstörung geht, die bereits zu Gesundheitsgefahren führt.
  4. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 1631e BGB der umfassenden Beratung und Aufklärung der Eltern eine große Bedeutung beigemessen. Dennoch ist stets im Einzelfall zu prüfen, welches Gewicht einer solchen Aufklärung der Eltern zukommt. Je weniger gewichtig die konkrete medizinische Indikation ist, um so mehr Gewicht hat eine umfassende Aufklärung der Eltern. Je stärker eine Operation aus medizinischen Gründen indiziert ist, umso weniger kann es darauf ankommen, ob die Eltern sich über alle Facetten der Varianten der Geschlechtsentwicklung informiert haben.
  5. Sofern die Eltern in ihrer Fähigkeit eingeschränkt sind, die aufgrund der Operation erforderliche Nachsorge zu leisten, rechtfertigt dies nicht die Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung, wenn das Kind durch ein Zuwarten mit der Operation gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt ist. Auf eine solche Einschränkung der Eltern muss dann vielmehr mit (ambulanten Unterstützungs- oder notfalls in das Sorgerecht eingreifenden) Maßnahmen reagiert werden.

(Leitsätze von der Redaktion bearbeitet)

Anm. d. Red.: Die Entscheidung wird veröffentlicht in FamRZ 2025, Heft 12, m. Anm. Dagmar Coester-Waltjen.

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