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Fremdunterbringung des Kindes wegen dessen Gewalttätigkeit

- Entscheidungen Leitsätze

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 10.6.2020 – 1 BvR 572/20

1. Bei einer auf § 1666 BGB gestützten Trennung des Kindes von den Eltern ergibt sich für die Fachgerichte aus Art. 6 II und III GG das Gebot, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten. Die Fachgerichte werden dem regelmäßig nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenken, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Eltern darzulegen (vgl. BVerfG, FamRZ 2015, 112 {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}).

2. Auch wenn im fachgerichtlichen einstweiligen Anordnungsverfahren die praktisch verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten angesichts der spezifischen Eilbedürftigkeit dieser Verfahren regelmäßig hinter denen des Hauptsacheverfahrens zurückbleiben, kann im Rahmen der unter den Bedingungen des Eilverfahrens möglichen Sachverhaltsaufklärung auf konkrete Feststellungen zu Art und Ausmaß der Kindeswohlgefährdung nicht gänzlich verzichtet werden.

3. Zwar ist durchaus plausibel, dass Anlass besteht, die Ursachen für ein erheblich gewalttätiges Verhalten des Kindes abzuklären und an die Ergebnisse der Abklärung anknüpfend eine therapeutische Behandlung einzuleiten. Das enthebt die Fachgerichte selbst im einstweiligen Anordnungsverfahren aber nicht der Anforderung, Art und Schwere der Kindeswohlgefährdung im Rahmen des im einstweiligen Anordnungsverfahren Möglichen konkret festzustellen und in den Entscheidungsgründen darzulegen.

(Leitsätze der Redaktion)

Anm. d. Red.: Die Entscheidung erscheint demnächst in der FamRZ.

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