OLG Thüringen hebt Entscheidung des AmtsG Weimar auf
Das OLG Thüringen hat die Entscheidung des AmtsG Weimar zu Infektionsschutzmaßnahmen an zwei Weimarer Schulen aufgehoben (Beschluss vom 14.5.2021, Az. 1 UF 136/21). Es hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass es dem Familiengericht im vorliegenden Fall an einer Regelungskompetenz fehle. Eine Befugnis des FamG zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden bzw. Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB.
Eltern sahen Kindeswohl gefährdet
Die Eltern von zwei Kindern, die in Weimar zur Schule gehen, hatten beim FamG Weimar angeregt, von Amts wegen zu deren Schutz ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung einzuleiten. Sie vertreten die Ansicht, das körperliche, seelische und geistige Wohl der Kinder und aller weiteren Kinder, die die gleichen Schulen wie ihre Söhne besuchen, sei aufgrund der Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und zur Wahrung räumlicher Distanz gefährdet. Deshalb haben sie eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften, insbesondere der Dritten Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, gültig ab 15.12.2020, zuletzt geändert am 12.3.2021, angeregt.
In dem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren hat das Familiengericht den Lehrern, den Schulleitungen sowie deren Vorgesetzten einstweilen untersagt,
- das Maskentragen,
- die Einhaltung von Mindestabständen,
- die Teilnahme an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV- 2
anzuordnen oder vorzuschreiben. Weiter gebot es den Leitungen und den Lehrern der von den beteiligten Kindern besuchten Schulen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten.
Das FamG ist bei seiner Entscheidung von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen und hat seine Anordnungen mit einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung durch die von den Eltern kritisierten Maßnahmen und dem Unvermögen der Eltern, diese Gefahr von den Kindern abzuwenden, begründet.
FamG nicht zuständig für Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen
Auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen hat das OLG Thüringen mit Beschluss vom 14.5.2021 den Beschluss des AmtsG - FamG – Weimar vom 9.4.2021 aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt.
Zur Begründung führt das OLG aus, dass das AmtsG vor einer Sachentscheidung gehalten gewesen wäre, vorab über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Für das mit der Anregung der Eltern verfolgte Ziel, zum Schutz der Kinder schulinterne Maßnahmen außer Kraft zu setzen und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften zu überprüfen, fehle es an einer Regelungskompetenz des Familiengerichtes. Im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses seien die zuständigen Behörden an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns - auch hinsichtlich von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen - obliege allein den Verwaltungsgerichten.
Behörden sind keine „Dritte“ im Sinne des § 1666 Abs. 4 BGB
Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden bzw. Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB. Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt seien nämlich keine „Dritte“ im Sinne der Vorschrift, gegen die in Angelegenheiten der Personensorge Maßnahmen getroffen werden könnten.
Da eine Verweisung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens an das Verwaltungsgericht nicht in Betracht kam, war die Entscheidung nach Ansicht des OLG Thüringen aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Thüringen vom 19.5.2021
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