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Berücksichtigung miterlebter Gewalt bei Rückführungsentscheidung

- Entscheidungen Leitsätze

Oberlandesgericht Bremen, Beschluss v. 19.12.2022 – 4 UF 69/22

  1. Der Ablehnungsgrund des Art. 13 I lit. b HKiEntÜ ist unter Berücksichtigung des Zwecks des HKiEntÜ, eine zügige Sorgerechtsentscheidung im Herkunftsstaat zu ermöglichen, restriktiv auszulegen.
  2. Der dem entführenden Elternteil obliegende Nachweis, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt, erfordert daher eine über die mit jeder Rückführung verbundenen Belastungen hinausgehende, besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls.
  3. Eine solche Beeinträchtigung kann vorliegen, wenn die entführende Mutter nachweist, dass der Vater vor der Entführung in Gegenwart des betroffenen Kindes mit einer ungeladenen Pistole auf sie gezielt und abgedrückt hat und deswegen eine hohe psychische Belastung des Kindes festzustellen ist, die sich in psychosomatischen Symptomen und gravierenden Ängsten äußert. (Leitsatz von der Redaktion abgeändert)
  4. In einem solchen Fall kann außerdem der Ablehnungsgrund des Art. 13 II HKiEntÜ vorliegen, wenn der Widerstand des zehnjährigen Kindes gegen die Rückführung aufgrund der miterlebten Gewalt gegen die Mutter erklärlich erscheint.

Anm. d. Red.: Die Entscheidung wird veröffentlicht in FamRZ 2023, Heft 8, m. Anm. Joanna Guttzeit.

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