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Aufhebbarkeit im Ausland geschlossener Minderjährigenehen

- Entscheidungen Leitsätze

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 22.7.2020 – XII ZB 131/20

1. Die Aufhebbarkeit einer Auslandsehe, die mit einem Ehegatten geschlossen worden ist, der bei Eheschließung zwar das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte, richtet sich nach §§ 1313 ff. BGB in der aktuell geltenden Fassung. Die Überleitungsvorschriften der Art. 229 § 44 I und II EGBGB sind auf solche Ehen nicht – auch nicht entsprechend – anzuwenden.

2. Ob einer der von § 1316 I Nr. 1 S. 1 BGB genannten Gesetzesverstöße vorliegt, bei denen die zuständige Verwaltungsbehörde berechtigt ist, einen Antrag auf Eheaufhebung zu stellen, ist keine Frage der Antragsberechtigung, sondern eine der Begründetheit des Antrags (Abgrenzung zu Senatsurteil v. 11.4.2012 – XII ZR 99/10 –, FamRZ 2012, 940 [m. Beitrag Coester-Waltjen, FamRZ 2012, 1185] {FamRZ-digital | FamRZ bei juris}).

3. Für die Bestätigung der Ehe ist zwar die positive Kenntnis des Ehegatten von ihrer Aufhebbarkeit nicht erforderlich. Er muss aber die den Ehemangel begründenden Tatsachen kennen und wenigstens ein allgemeines Bewusstsein davon haben, dass er die Ehe wegen des Eingehungsmangels zur Auflösung bringen kann oder dass Zweifel an ihrer Gültigkeit bestehen und er durch sein Verhalten ein möglicherweise vorhandenes Aufhebungsrecht aufgibt.

4. Die Norm des § 1314 I Nr. 1 BGB räumt dem Richter für die Frage, ob die Ehe bei Vorliegen des Aufhebungsgrundes aufzuheben ist, ein eingeschränktes Ermessen ein. Fehlt in diesen Fällen ein Ausschlussgrund gemäß § 1315 I S. 1 BGB, kann von einer Eheaufhebung ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn feststeht, dass die Aufhebung in keiner Hinsicht unter Gesichtspunkten des Minderjährigenschutzes geboten ist, sondern vielmehr gewichtige Umstände gegen sie sprechen.

Anm. d. Red.: Die Entscheidung wird veröffentlicht in FamRZ 2020, Heft 19, m. Anm. Antomo. Sie ist zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen.

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